Es rasselt die Kette es knirscht das Blatt,
es flüstern die Reifen auf dem Belag!
Hörst du es keuchen, siehst du es schwitzen,
fragst du dich auch, wem kann das nützen?
Aus Spaß an der Freude, aus Lust am Tritt,
pfeift es dahin – keiner hält Schritt!
Wer ab und zu mit dem Fahrrad unterwegs ist, der kennt sie alle – die Geräusche des Radfahrens, des Fahrradwegs, der Natur und der viel zu lauten iPods anderer Leute.
Geräusche des Radfahrens
Am charakteristischen Surren, welches einen eine Weile im Unklaren lässt, ob sich ein aufgebrachter Wespenschwarm nähert oder vielleicht doch ein fernes Ultraleichtflugzeug unterwegs ist, lern der Ottonormalradler schnell den Mountainbiker mit seinen breiten grobstolligen Reifen zu erkennen.
Doch nur die wenigsten Ottonormalradler können die leisen Anzeigen eines nahenden Rennradfahrers auch nur erahnen. Schmal(st)e Reifen gleiten über den Asphalt – perfekte Antriebe geben kaum ein Kettenrasseln von sich – präzise Schaltungen lassen nur kurze prägnante Knack-Laute tönen – erst der knackige Freilauf lässt den Radler hochschrecken und sich panikartig in seiner Zweier- oder Dreiherreihe nach einer Fluchtmöglichkeit nach rechts umsehen um Platz zu machen.
Einen kurzen Antritt später ist es auch schon vorbei und das elegante Fortbewegungsmittel ist mit deutlicher Geschwindigkeit vorbei und auch bald schon hinter der nächsten Kurve verschwunden. Was bleibt ist ein Eindruck von Sportlichkeit und ein Hauch von Neid.
Wie kommt jetzt nun der Fisch zum Rennrad?
Die gerade geschilderten Wahrnehmungen gehen auf meine persönliche Erfahrung zurück – sowohl auf der Ottonormalradler- als auch auf der Mountainbiker- und nun auch auf der Rennradler-Seite.
Lang ist’s her
Angefangen habe ich – wie viele andere – in meiner Kindheit auf einem Rad mit Stützrädchen und wunden Knien. Doch sobald ich meine Meinung einigermaßen kund tun konnte war mein erstes „richtiges“ Fahrrad ein Mountainbike – oder zumindest ein ziemlich stabile Stahl-Monstrosität in Schwarz-Lila-Grau-Bürstenstrich-Optik, welche dann nach meiner Konfirmation von meinem ersten, selbst gekauften Mountainbike von Merida abgelöst wurde (dann mit etwas dezenterer Optik).
Ich bin mit meinen Eltern viel Fahrrad gefahren und auch das Merida hat lange durchgehalten – auch wenn es während Führerschein und Abitur ziemlich eingestaubt ist. Erst im Studium war ein Fahrrad wieder relevant (nicht zuletzt wegen gesundheitlicher Aspekte). Leider war es zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich hinüber: Kette gelängt, Ritzel und Blätter verschlissen, die eine oder andere Speiche marode, Rost an vielen Stellen und von der Federgabel reden wir erst gar nicht.
Vernunft besiegt Emotionen (vorerst)
Es folgte ein „Vernunftkauf“. Ein Tourenrad welches ich immer wieder gefahren bin. Im Studium und danach auch immer mal wieder zur Arbeit. Es war praktisch. Es war komfortabel. Es war einigermaßen schick. Aber eines war es eben nicht: aufregend. Es war ein langweiliges Mittel zum Zweck.
Als ich wieder richtig mit Sport angefangen habe wurde mir das Tourenrad schnell zu langweilig und ich habe immer wieder überlegt, was ich tun soll, bis eines Tages ein Kumpel von mir mit einem tollen neuen Mountainbike für einen sehr guten Preis um die Ecke kam. Ich konnte seines Probe fahren und mir war klar: das muss ich haben!
Ach ähhh ja, andere Geschichte – hier ging es ja um das Rennrad… das mit dem Mountainbike ist eine andere Geschichte, die ich noch erzählen werde. Zurück zum Rennrad:
Wünsche
Nachdem ich also wieder mehr Wert auf Fitness gelegt habe, viel gebiked bin, im Winter mit dem Laufen angefangen habe und auch sonst nicht nur faul rumgesessen bin, kam bei mir ein Wunsch hoch, denn ich schon als mittelgroßes (so richtig klein war ich eigentlich nie), dickes Kind und später als trainierender Moppel immer wieder gehegt hatte: „So ein Rennrad – das wär was!“
Wenn ich nur endlich sportlich genug wäre, und leicht genug und überhaupt… So ein Rennrad – das wär was! Schnell sein! Auf der Straße tief über den Lenker gebeugt „Kilometer machen“. Hunderte – ach was – tausende von Kalorien verbrennen. Tour de France hat mich nie interessiert. Wettkampfambitionen hatte ich bei den Gedanken auch nie. Eher die Überlegung wie es sich wohl anfühlen könnte auch so sportlich und leicht über den Asphalt zu schweben. Das Mountainbike ist was für’s Grobe, für die Steigung, für den Schotter, die Feldwege, den Dreck und den Matsch. Im Wald, im Weinberg, durch die Pampa! Und das ist auch gut so, denn es macht tierischen Spaß und ich genieße auch das!
Aber beim Rennrad ist es anders… puristischer… Geschwindigkeit, vorbeihuschende Schatten, lange Touren und ein schwer zu beschreibendes Gefühl, eben nicht nur einer von vielen Tourenradlern zu sein. Sich abzuheben, sich selbst herausfordern und vielleicht besiegen zu können. Nur eben kannte ich dieses Gefühl zu diesem Zeitpunkt noch nicht und hatte daher meine Zweifel.
Zweifel
Es war schwer für mich einzuschätzen, ob Rennradfahren für mich taugt. Ob ich mich vielleicht sogar lächerlich machen könnte. Schließlich ist es eine Sache als Moppel auf einem stabilen Mountainbike durch die Gegend zu scheppern – eine ganz andere als Moppel auf einem filigranen, scheinbar empfindlichen Sport-Präzisionsgerät zu sitzen und verzweifelt zu versuchen nicht den Anschein des berühmten „Affen auf dem Schleifstein“ zu erwecken.
Immer wieder habe ich beim biken auf die Rennradler geachtet und sie etwas beneidet. Nach einer Weile wurde mir beim genaueren Hinsehen klar, dass durchaus ein ordentlicher Prozentsatz von ihnen ebenfalls kein Sixpack, sondern eher das Partyfäßchen mit sich trugen.
Das Internet – der falsche Freund – schafft zusätzliche Verwirrung indem er von empfindlichen Materialien, filigranen Teilen, Leichtbau und Speziallösungen brabbelt. Auf der anderen Seite werfen Foren und Magazine „Tipps zum Abnehmen mit dem Rennrad“ in die Unendlichkeit des Netzes, darauf wartend dass irgend ein Fisch(kopf) den Köder schon findet und schluckt.
Versuche
Klar war für mich, auch wenn der Wunsch nach einem Rennrad groß war, dass ich ohne je eine Probefahrt gemacht zu haben und ein wenig auszuprobieren niemals eines kaufen würde! Dafür ist der Spaß ja auch wirklich zu teuer!
Ich bin also den einen oder anderen Laden abgeklappert und habe mich auf so dieses und jenes Rennrad gesetzt, bin Probe gefahren, hab mich aufrecht gesetzt, mich am Unterlenker festgekrallt (anfangs seeeehr ungewohnt) und mich über Schaltungen und Komponenten schlau gemacht.
Es war toll! Erst war es nur ein Fahrrad, dann ein paar Tritte später war es einfach schnell und leicht – ganz anders als ein Mountainbike oder Tourenrad. Leichtfüßig würde man sagen, spräche man vom Laufen – und von einem Kenianer oder Äthiopier. Das Rennrad ist der Haile Gebrselassie unter den Fahrrädern… das Mountainbike eher der Dwayne „The Rock“ Jonson – hart im Nehmen und geil fürs Grobe… und das Tourenrad einfach wie… Angela Merkel – ein wenig blass, funktional, aber etwas langweilig.
Ein Rennrad weckte in mir also Emotionen und Motivation, das war schon mal klar. Doch mein Körpergefühl stand dem nicht nach. Es funktionierte sofort für mich. Ich brauchte weder Schuhlöffel noch Brecheisen, noch fühlte es sich irgendwo falsch an. Mir war es also durchaus möglich Rennrad zu fahren, obwohl ein 1,93m großer Moppel nun nicht unbedingt die Zielgruppe des Rennradsports darstellt.
Die Entscheidung
Dann wollte der Zufall es, dass ich auf der Seite von Canyon, die ich seit geraumer Zeit immer wieder besuchte, über ein Outlet% Angebot gestolpert bin: Ein Rennrad in meiner Größe – mit elektrischer Schaltgruppe, jeder Menge Schnickschnack und dann auch noch wahnsinnig heruntergesetzt, weil es das Modell vom vorletzten Jahr war (was wahrscheinlich aufgrund der Größe eher schwierig an den Mann zu bringen war – mir aber herzlich egal sein konnte weil die Technik unverändert der Hammer ist!). Jetzt konnte ich nicht mehr anders! Ich musste mir einfach diesen Wunsch (Traum klingt immer so schwülstig) erfüllen!
Vorher habe ich natürlich erst noch einmal darüber geschlafen, aber nachdem sich an dem Kribbeln in meinen Eingeweiden nichts verändert hat (nein ich war top-gesund!), habe ich den Auftrag an Canyon abgeschickt und ab da, wie ein kleines Kind vor Weihnachten auf den Weihnachtsmann wartet, dem Paketboten aufgelauert.
Tadaaaaa: Das Paket
Die Wartezeit betrug gefühlte 37.2 Monate, es könnte sich aber auch um etwa knapp eine Woche gehandelt haben, und endete rechtzeitig Samstag Nachmittag mit dem Rest des Wochenendes noch vor mir.
Und was das erst für eine Schachtel war! Der Paketbote war sichtlich erleichtert das sperrige Teil aus seinem gelben Eierkarton auf Rädern zu bekommen. Ein großer, schwarzer Karton (Bike-Guard in der Fachsprache) mit weißem Canyon-Schriftzug und erstaunlich leichtgewichtigem Inhalt wanderte von der Auffahrt in mein Wohnzimmer und mein Puls von 55 auf 120.
Meine Freundin machte sogleich auf… zu meiner Oma um Kaffee zu trinken, um mir jetzt bloß nicht in die Quere zu kommen oder gar helfen zu müssen.
Als ich den Karton nun öffnete und langsam Teil für Teil und Tüte für Tüte das Rennrad auf meinem Wohnzimmerboden verteilte fehlten im Prinzip nur die goldene Lichtstrahlen und ein Engelschor um die Stimmung wiederzugeben.
Der Aufbau gestaltete sich weitgehend unkompliziert und war nach ca. 2 Stunden vor- und umsichtigem Zusammenfügen der Teile abgeschlossen – nur ein Schlauch muss irgendwie beim Transport etwas abbekommen haben und ließ sich nicht aufpumpen – nun ja… ein Bisschen Schwund ist halt immer. Nach Beseitigung der Unzulänglichkeit, Montage der Pedale und längerem Setup des Sattels und Cockpits unter Zuhilfenahme meiner Liebsten (ha – doch nicht drum rum gekommen!) war es allerdings zu spät um auch noch eine Probefahrt zu machen. Doch Morgen ist ja auch noch ein Tag…
Mein Rennrad
Da war es nun endlich – mein Rennrad! So wie es auf der Webseite präsentiert wurde – quasi ein Katalogbild…
…die Daten und Komponenten sollen natürlich nicht verheimlicht werden…
… und dann war da noch die Realität die alles andere Übertrifft…
Rennrad auf der Weide
(Ja – ich weis, dass man das Bike nicht auf die Kette legt – mir war der gestalterische Standpunkt wichtiger *zwinker*)
Besonderheiten
Nachdem ich ein paar Touren hinter mir hatte mussten noch diverse Kleinigkeiten angepasst werden.
Zunächst habe ich den Sattel getauscht – der Selle Italia war mit seiner schmalen Form und hohen Wölbung für meine Körperproportionen einfach nicht passend! An dieser Stelle nicht gleich die Weichei-Keule rausholen – ich habe meinen Sitzknochenabstand vermessen lassen (schon vor einiger Zeit für mein Mountainbike und nun wieder für mein Rennrad) und mir einen guten, harten Rennradsattel (Specialized Toupé Comp Gel) gekauft, nur eben einen breiteren (Body Geometry Fit 155mm) mit weniger Wölbung. Damit gehen auch lange Touren ziemlich „bequem“.
Die SPD-Pedale welche ich als „Zweipedale“ für mein Mountainbike rumliegen hatte mussten auch bald dran glauben. Leider lassen sich die Pedale nämlich eigentlich nur mit Schuhen fahren welche seitlich der Cleats über Stege verfügen (was meine etwas härteren Schuhe nicht tun). Das war für mich sonst kein Problem – die Stege werden nämlich nicht benötigt wenn man andere SPS-Pedale fährt wie sie im Normalfall an meinem MTB montiert sind – diese besitzen die Plattform / Auflagefläche am Pedal selbst usw…. Aber egal – also hab ich mir Look KéO Classic Pedale besorgt und bin damit (bis auf den Platten-Verschleiß) sehr zufrieden damit.
Es folgte noch der übliche „Kleingrusch„, wie Satteltasche, Flaschenhalter und Minipumpe, aber der ist ja nun mal unumgänglich.
Mein Rennrad und Ich also…
Seit dem Kauf sind jetzt etwa 4 (teilweise regnerische) Monate und ca. 2000 Kilometer vergangen und ich habe die Anschaffung nicht bereut. Ich habe schon einige schöne, lange, anstrengende Touren hinter mir, bin schon einige Male früh morgens vor dem Frühstück eine schnelle Runde gefahren und mich dem neu ins Leben gerufenen Rennrad-Team meiner Firma angeschlossen.
Mein Mountainbike bekommt natürlich auch weiterhin Aufmerksamkeit – gerade auch wenn das Wetter schlechter, oder die Strecken holpriger werden (sollen), doch das Rennrad ist mein liebstes Spielzeug.
Allen, die auch mit dem Gedanken spielen, oder sich nicht trauen, kann ich nur den Tipp geben: Probe fahren, ausprobieren und einfach mal aufs Gefühl verlassen. Mich hat das Rennrad sehr motiviert und tut es auch immer wieder aufs Neue.
Have fun, Kette rechts,
Andi