Weiter. Immer weiter. Warum? Keine Ahnung! Wirklich nicht! Aber ein richtiger Trainingsplan und ein neues Ziel locken – der Sprung von 10K zu 21.1K muss einfach ausprobiert werden. Ein Ziel für den Frühling schadet bestimmt nicht um über die „fetten“ Wintertage zu kommen. Der Weinturmlauf soll mein Ziel sein!
Schon im November nach dem letzten Laufveranstaltung (dem Rothenburger Lichterlauf) nehme ich mir vor diesen Winter und die Feiertage dran zu bleiben und nicht in der Schlemmer-Falle zu versacken. Gewicht halten! Fit bleiben! Dran bleiben! Halbmarathon in 2016 – das wäre doch was…
Wie nun?
… ich blättere wieder und wieder im großen Marathon-Buch (Hubert Beck) und überlege was ich mache. Irgendwann denke ich mir einfach: „Sch*** drauf!“ – ich habe genug zeit um diesen 10 Wochen Trainingsplan einfach mal auszuprobieren. Zu sehen ob ich mit den gesteigerten Trainingsumfängen etc. zurecht komme – wenn ich dann völlig daneben liege, dann wird eben anders weiter trainiert.
Unter 2 Stunden ist mein Ziel – Der Trainingsplan der dem am nächsten kommt ist für 1:55 Stunden ausgelegt – der soll es dann nach langem überlegen sein! Wann geht’s los? Joa – morgen dann! Nicht?
Vorbereitungen
Der Trainingsplan ist gut strukturiert und die Trainingseinheiten kloppe ich minutiös in mein Garmin-Connect. Der Plan geht 10 Wochen – dabei sind zwei 10K-Test-Wettkämpfe angesetzt, die ich wie es aussieht im Training simulieren werde, wenn ich nicht bereit bin 100km mit dem Auto anzureisen. Die langen Läufe steigern sich von Woche zu Woche… der längste ist dann 2 Wochen vor dem Wettkampf mit 22km durchaus Respekt einflößend!
Aber nicht genug! Ich will ja eigentlich auch abnehmen (mal wieder *seufz*) also will ich mich gleichzeitig noch nach der F-AS-T Formel von Dr. Feil richten. Train Low – Compete High. Ich machs an der Stelle mal kurz: Low-Carb (= wenig Kohlenhydrate) im Training und dann den mit vollen Kohlenhydratspeichern den Wettkampf laufen. Kommt meinen sonstigen „Diät-Erfahrungen“ sehr entgegen – denn Low-Carb wirkt bei mir ausgezeichnet.
An dieser Stelle soll erwähnt sein, dass ein Training ohne bzw. mit wenig Kohlenhydraten wirklich, wirklich ausgesprochen übel sein kann. Bis der Körper sich halbwegs dran gewöhnt hat (2-3 Wochen bei mir) hab ich mich gefühlt wie ein lauwarmer Waschlappen. Leistung unten, Herzfrequenz oben, VO2max auf der FR920XT sinkend und Motivation hin und her gerissen zwischen „wie scheiße ist denn dein Trainingsstand – voll anstrengend“ und „das liegt aber bestimmt nur an den wenigen Kohlenhydraten“. Unsicherheit!
…der Mühe Lohn…
Ich spreche nur für mich: es hat sich denke ich gelohnt! Jedem der es selbst versuchen will: durchhalten – beim ersten Probe 10K mit Kohlenhydraten sieht die Welt ganz anders aus!
Pause 1
Ich will nicht verschweigen, dass ich länger als 10 Wochen für die Vorbereitungen gebraucht habe… Nach den ersten 4 Wochen und dem ersten Probe 10K durchlief eine Grippewelle den Kindergarten in dem meine Freundin arbeitet – ratet mal was ich zu Weihnachten bekam… 2 Wochen Trainingsfrei *seufz*… aber nun gut – wie gesagt, es ist ja noch lang hin bis zum Lauf – bin ja quasi noch in der Trainingsplanerprobungsphase (Deutsche Wörter, einfach gut!).
Also noch mal von vorne mit dem Plan, will mich ja nicht gleich überanstrengen, nach so ner Grippe! Lief dann ziemlich gut. Den erneuten ersten Probe 10K (wieder auf der Hausstrecke) leider etwas überrissen (übermotiviert) aber immer noch besser als meine bisherige Bestzeit.
Pause 2
Nach der achten Woche und mit absolviertem 20K und 22K Trainingslauf lief auch der zweite 10K ziemlich gut… allerdings bekam ich erneut Besuch von der Killervirenzuchtstation und erneut 2 Wochen Trainingsfrei... so langsam wird das Zeitpolster knapp… da waren es nur noch 9 Wochen… hmmm schlecht… jetzt darf nicht mehr viel passieren, die erste Woche lass ich aus und dann wird das schon…
… und das wurde es auch… so ist das eben mit Training in der kalten Jahreszeit – im Sommer sieht das ein wenig anders aus.
So – das war jetzt quasi das Vorwort zum Lauf… also nun mal los…
Bad Windsheim 13.03.2016
Der Termin hat sich in mein Hirn eingebrannt und je näher er rückt, desto mehr befürchte ich mich einzunässen. Mein erster Halbmarathon!
Die Vorbereitungen waren durchwachsen aber gut. Ich bin fit und fühle mich gut! Mammiii! Ich bin nervös und hoffe das alles klappt.
Meine Freundin und meine Eltern begleiten mich zur Startnummernausgabe. Sie motzen geschlossen, dass es so kalt ist. Ich finds gut! Die Organisation ist wie im letzten Jahr hervorragend und recht flott habe ich meine Startnummer und den „Einmal-Chip“ für die Schnürsenkel von „SAS Zeitmesssysteme“. Ich habe gar nicht so viel Zeit nachzudenken und verrückt zu machen, denn sehr bald muss ich mich auch schon warm laufen.
Als ich tatsächlich Menschen in kurzer Hose und T-Shirt sehe, zweifle ich kurz an meinem, dann an deren Verstand! Es hat 4 Grad und der Ostwind ist ziemlich sibirisch. Vereinzelte Polarbären streifen schon durch die Gegend… naja fast. Ich sehe gleichzeitig Nordic-Walker die aussehen als wäre eine Polarexpedition Teil der 7.5km Strecke… irgendwie weis ich jetzt nicht so recht, ob ich schwitzen oder frieren soll!!!
Kurz vor 11:00 Uhr – Ich verabschiede mich und schlurfe in die Startaufstellung. Ich prüfe die Garmin – alles eingestellt – alles passt. Gleich geht es los – 2 Stunden (hoffentlich weniger) durch die Windsheimer Pampa… bereit? Ähhhhmmm?
Start
Der Startschuss ertönt! Die Menge trabt los. Ich winke meiner Unterstützung und bin weg. Mir laufen zu viele Leute im weg rum – ich überhole im Zickzack. Meine Pace ist trotzdem noch nicht in meinem Bereich. Langsam entzerrt sich das ganze und auch die Pace passt. Nur nicht zu schnell am Anfang – strikt nach Trainingsplan bzw. geplanter Wettkampfpace!
Es geht durchs Wohngebiet und aus der Stadt – die erste Steigung fühlt sich gut an – ich denke kurz daran dass ich in 10 Kilometern wieder hier sein werde und frage mich wie es sich dann anfühlt. Ich kenne die Strecke und weis, dass in noch einmal 1-2 Kilometern eine wesentlich anstrengendere, längere, steilere Steigung kommt… F*ck, wie wird die sich dann in 12 Kilometern erst anfühlen.
Ich verdränge die Gedanken und laufe weiter. Es geht nach der ersten Steigung leicht bergab und ich bin schneller als geplant – aber es rollt von selbst. Meine Pace jetzt 5:15/K statt der geplanten 5:27 aber es fühlt sich gut an. Die böse Steigung kommt und geht auch wieder – war das nicht letztes Jahr viel höher? Ich bin nicht viel langsamer geworden.
Vor mir läuft eine Frau im gelb-schwarzen Pulli an der ich mich orientiere – ich bleibe dran. Mein Puls ist gut und ein Stück unter der Grenze an der ich langsamer machen würde. Es bleibt bei 5:15 bis 5:20 pro Kilometer. Die Verpflegungsstelle kommt und geht. Bei Kilometer 8 etwa geht es in den Kurpark und dann ist tatsächlich schon die 10K-Verpflegungsstation erreicht. Bis hier hin, war es wirklich angenehm!
… eine neue Runde eine neue Wahnsinnsfahrt…
Jetzt kommt also die zweite Runde – die Distanz die ich noch nie in einem Wettkampf und im Wettkampftempo gelaufen bin. Ich merke die Anstrengung. Meine Beine sind nicht mehr taufrisch und ich überlege ob ich nicht doch etwas zu schnell gewesen bin bis jetzt.
Die Dame in gelb ist immer noch mein Orientierungspunkt, zwischenzeitlich hatte ich sie eingeholt und dann sie wieder mich. Ich beschließe mit Blick auf Puls und Gefühl einfach so weiterzulaufen wie bisher – wird anstrengend, aber das hat auch keiner behauptet!
Die erste Steigung kommt und geht (wieder)… immer noch erstaunlich gut muss ich sagen. Dann kommt das größere Kaliber und jetzt fühlt sich das schon ganz anders an. Ich werde ein paar Sekunden langsamer, aber da bin ich auch nicht der Einzige! Eine Gruppe, welche ebenfalls die ganze Zeit in Sichtweite war lässt nach und ich gehe langsam vorbei. Auch die Dame in gelb bleibt ein paar Meter zurück. An der Verpflegungsstelle überholt sie mich wieder. Jetzt sind es 15 Kilometer!
Es geht weiter immer weiter und so langsam tun mir die Gräten weh. Die Sehne an meinem rechten Knie (Außenseite) beginnt weh zu tun. ITBS nennt sich das. Ich mache immer wieder ein paar Knee-Ups und Skippings um das ganze zu lockern, aber besser wird es nicht – da heißt es einfach Zähne zusammenbeißen auch wenn es vielleicht unvernünftig ist!
Es folgt eine kleine Zusatzschleife bei Kilometer 17 um die 1,1km zusätzlich auf den Tacho zu bekommen. Ich beiße schon ziemlich die Zähne zusammen – Scheiß Sehne! Die Pace kann ich allerdings trotzdem halten – Kampf!
Die Strecke führt wieder in den Kurpark und so langsam merkt mein Hirn, dass ich es scheinbar tatsächlich schaffe. Mein Knie wird nicht besser aber auch nicht mehr schlechter.
Ich höre die Menschen an Start und Ziel, es ist laut meiner Uhr noch etwa ein Kilometer – ich beiße noch mal und werde noch ein kleines Bisschen schneller (trotz Schmerzen). Ich überhole 2-3 LäuferInnen im Schneckentempo wie beim Brummirennen auf der Autobahn und biege auf die Zielgerade – es mag am Adrenalin liegen, oder an der schnelleren Pace aber mein Haxen wird temporär etwas besser!
Ziel
Ich passiere meine Freundin die mich fotografiert und anfeuert, auch meine Eltern und laufe mit erhobenen Armen durchs Ziel – die Moderatorin sagt laut meine Nummer und meinen Namen an. Es wird geklatscht! Ich bin im Ziel, ich habe einen Halbmarathon beendet! Ich bin total im Arsch (auf gut Deutsch)!
Die Uhr habe ich scheinbar gestoppt – wie mir irgendwann auffällt – meine Zeit weiß ich bis da hin nicht mal annähernd, ich hab den überblick verloren. Ich bin nur froh etwas zu trinken und einfach nur stehen zu können, während meine Sehne pulsiert und unangenehm zieht.
Meine Uhr sagt etwas von unglaublichen 1:50:24 – total abgefahren! Ich bin total happy und total fertig. Mein Pa schlägt vor, dass ich mich erst mal umziehen solle, wofür ich eine Weile in der Turnhalle der Kiliani-Klinik sitze und ziemlich steif meine ganzen Klamotten abpelle und neue überstreife. Nebenher unterhalte ich mich mit einem anderen etwa M45 Läufer der mich auf dem letzten Kilometer ein gutes Stück begleitet hat und dann ein paar Sekunden nach mir ins Ziel kam. Erlebnisse. Glückwünsche.
Meine Sehne geht mir tierisch auf den Nerv – also wirklich jetzt. Mein Pa spendiert mir eine Massage die hier von Schülern der Physiotherapie-Schule angeboten wird. Ein Traum! Anschließend erst mal einen Kaffee und ein bisschen rumsitzen.
Die offiziellen Ergebnisse lassen noch ein wenig auf sich warten – doch als sie Endlich hängen: BÄM! 1:50:13 also noch geiler als ohnehin schon! Und: what the f*ck??? Ich bin dritter meiner Altersklasse (M30)?! Wie geht das denn – ahhhh ok, nur 6 Starter *grins*… aber schon witzig!
Ein voller Erfolg! Da hat sich das Training voll ausgezahlt und war super effektiv! Jetzt kann ich entspannt ins Jahr blicken! Das wird auf jeden Fall ein gutes Jahr.
Zur Belohnung abends Pizza-Party beim Stamm-Italiener und dann ins Bett wie ein Stein! Wer bis hier hin gelesen hat, ist bestimmt fast so erschöpft wie ich *zwinker*!
Viel Spaß beim Laufen,
Der Andi